
Liebe Manager! Liebe Studenten! Liebe Ärzte!
Gendern – handelt es sich dabei um bloße „Oberflächenkosmetik“ und lästige Überkorrektheit oder steckt hier Potential dahinter, das Bewusstsein, die Wahrnehmung der Gesellschaft zu verändern?
„Liebe Manager!“, „Liebe Studenten!“, „Liebe Ärzte!“ – jetzt ganz unter uns, meine lieben weiblichen Mitbürgerinnen, fühlt ihr euch angesprochen? Ja? Wie kommt das? Denn grammatikalisch gesehen sind hier doch lediglich Angehörige des männlichen Geschlechts gemeint. Wieso hat sich die männliche Form als Bezeichnung für beide Geschlechter so erfolgreich durchgesetzt?
Ein Blick in die Vergangenheit
Eine mögliche Begründung wäre mit Sicherheit der Umstand, dass Frauen früher viele Berufe verwehrt waren, dass ihnen nicht die gleichen Rechte eingeräumt wurden wie Männern und dass sie vom öffentlichen Leben in vielen Bereichen ausgeschlossen waren. Auf das Häusliche, das Familiäre, das Private und nicht auf das Politische sollten sie sich konzentrieren, so der weit verbreitete Tenor bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhundert. Bis die 2. Frauenbewegung der 60er und 70er Jahre mit dem bekannten Slogan „das Private ist politisch“ kam und Veränderungen forderte. Die große Familienrechtsreform und zahlreiche Maßnahmen zur Erlangung einer Chancengleichheit für beide Geschlechter wie Quotenregelungen oder Gesetze (wie z.B. das Gleichbehandlungsgesetz) folgten
. Dies bewirkte, dass Frauen im öffentlichen Leben mehr beachtet wurden, und somit kam auch der Wunsch, die männlich formulierte Sprache, die als Ausdruck der traditionellen Rollenbilder verstanden wurde, durch eine geschlechterneutrale zu ersetzen.
Vor allem in der deutschen Sprache macht sich diese Tatsache besonders deutlich bemerkbar, sei es die „Krankenschwester“, die „Putzfrau“ oder die „Kindergartentante“. Sehr deutlich wird hier auf das Geschlecht dieser Berufsgruppen hingewiesen. Und wer verwendet schon „männlichen“ Varianten wie „Putzmann“, „Krankenbruder“ oder „Kindergartenonkel“? Die Geburtsstunde der/des „Raumpflegers/pflegerin“!
Die Lösung?
Gendern – ein schwaches Verb mit Perfektbildung „hat“ – wurde mittlerweile in den Duden aufgenommen. KritikerInnen bemängeln, dass Gendern selbst keine sozialen Missstände und Ungerechtigkeiten beseitigen kann
. Damit haben sie natürlich Recht. Allerdings darf man den psychologischen Effekt nicht vergessen, denn Sprache schafft Bewusstsein, schafft Wirklichkeit. Was man sagt oder schreibt, ist also nie bedeutungslos. Das Gesagte oder Geschriebene vermittelt ein spezielles Bild der eigenen Haltung und Einstellung. Ist lediglich vom Chef, vom Banker, vom Landeshauptmann die Rede, so stellt sich die Frage, ob denn alle Chefs, alle Banker, alle Landeshauptmänner zwangsläufig männlich sind? Und Frau Landeshauptmann Klasnic ist doch wirklich ein Widerspruch in sich. Kommen Frauen nun auch in der Sprache vor, so werden sie in – hoffentlich nicht allzu ferner – Zukunft auch in der Realität wahrgenommen.
Freilich kann man das Gendern auf die Spitze treiben und einige Texte äußerst schwer lesbar machen: Da der/die Schüler/in seine/ihre Aufgabe bei seiner/ihrer Freundin vergessen hat… Auch ein gegenderter Faust würde sich wohl kaum durchsetzen lassen. Aber was spricht eigentlich gegen kreatives Weiterdenken: „Es irrt der Mensch, solang sie strebt.“
Um der „Lesbarkeit“ willen sollen Frauen sich doch einfach mitdenken, das wird in der Einleitung vieler Publikationen angemerkt. Aber wie wäre es zur Abwechslung mal damit: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird hier mal die weibliche, mal die männliche Schreibweise verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für beide Geschlechter!
Fotomontage: Schmiedl/ETC