
Riphabliki yeSewula Afrika, IRiphabliki yaseNingizimu Afrika, Republiek van Suid-Afrika oder auch: die „Regenbogen-Nation“
Samstagvormittag, die Sonne wirft ihre Strahlen auf den Kaffeetisch, die Teekanne pfeift munter vor sich hin und durch das Fenster sehe ich einen Affen vorbeihuschen. Mit meinem Frühstück in der Hand öffne ich die Terrassentür und trete hinaus auf die Veranda. Eine durchdringende Sirene zerreißt die Stille, ich habe offensichtlich wieder einmal vergessen, die Alarmanlage auszuschalten! Ein paar Minuten später der Anruf der Sicherheitsfirma, ob alles in Ordnung sei.
Ein ganz gewöhnlicher Vormittag in Südafrika
. Nach drei Monaten ist der Klang der Alarmanlagen schon zu etwas ganz Alltäglichem geworden. Seit meine Gastfamilie vor rund 3 Jahren nach Kloof, KwaZulu-Natal, gezogen ist, ist bei all ihren NachbarInnen bereits mindestens einmal eingebrochen worden, sie selbst blieb aufgrund der drei Meter hohen Mauer, die das Grundstück umgibt, und ihrer fünf Rottweiler bislang davor verschont. Südafrika, berühmt für seine vielfältige Tier und Pflanzenwelt, den atemberaubenden Blick auf den Tafelberg, doch leider auch für seine außerordentlich hohe Kriminalitätsrate.
Auf der Suche nach Ursachen
Hunderte Jahre der Kolonisierung und schließlich die langen Jahre der Apartheid haben eine tief gespaltene und äußerst ungleiche Gesellschaft zurückgelassen. Die sogenannte „Rassentrennung“, die bereits zu Zeiten der holländischen und britischen Kolonien begann, wurde 1948 schließlich offiziell von der National Party (Afrikaans: Nasionale Party) im Gesetz verankert. Die Bevölkerung wurde in vier ethnische Gruppen eingeteilt: die „Schwarzen“, „Weißen“, „Farbigen“ (Coloureds) und „AsiatInnen“. Für jede Gruppe gab es eigene Schulen, Krankenhäuser, Wohngegenden, ja sogar Strände. Schwarze, Farbige und AsiatInnen wurden großteils enteignet, ihrer Staatsbürgerschaft beraubt, hatten eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und waren gezwungen, in verarmten und unterentwickelten Gegenden, den sogenannten Homelands beziehungsweise Townships, zu siedeln.
Doch auch seit dem Ende der Apartheid und den für alle BewohnerInnen freien Wahlen 1994 bleibt in Südafrika Vermögen und Einkommen so ungleich verteilt wie kaum anderswo (mehr dazu). Weiße SüdafrikanerInnen verdienen ein Vielfaches mehr als ihre schwarzen MitbürgerInnen und Armut ist immer noch stark abhängig von der Hautfarbe. Obwohl Schwarze fast 80% der Bevölkerung ausmachen, stellen sie gleichzeitig über 90% der ärmsten Bevölkerungsschicht. Mehr noch, laut dem Länderbericht 2012 der Bertelsmann-Stiftung ist der GINI-Koeffizient zwischen 1994 und 2006 sogar von 0,67 auf 0,68 gestiegen. Ein GINI-Koeffizient von 0 bedeutet absolute Gleichverteilung, einer von 1 maximale Ungleichheit, sprich: eine/r bekommt alles (mehr dazu). Allerdings steigt auch die Ungleichheit innerhalb der schwarzen Bevölkerung massiv. In den letzten Jahren hat sich eine, wenn auch dünne, schwarze Mittel- und Oberschicht gebildet. Angehörige dieser neuen Schichten werden auch „coconuts“ genannt außen schwarz und innen weiß. Denn sie unterscheiden sich kaum von der weißen Oberschicht: Auch sie leben in den gleichen, ehemals „weißen“ Wohngegenden, auch sie besuchen die gleichen Eliteschulen, auch sie verbarrikadieren sich hinter meterhohen Stacheldrahtmauern
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Kampf gegen die Ungleichheit
Die seit 1994 vom ANC (African National Congress) gestellte Regierung versucht mit verschiedensten Mitteln dieser Ungleichheit Herr zu werden (mehr dazu). 2003 beschloss sie das „Black Economic Empowerment“, das auf Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt, bei der Ausbildung, beim Erwerb von Eigentum, bei der Besetzung von Führungskräften und bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen abzielt. Demnach müssen die bisher Benachteiligten, „Schwarze“, „Farbige“, „AsiatInnen“, nun bevorzugt behandelt werden. Allerdings fühlen sich nun viele Weiße von diesem Gesetz diskriminiert und KritikerInnen argumentieren, es trage zum „Brain Drain“ bei, da gut ausgebildete Weiße vermehrt das Land verlassen.
Was bringt die Zukunft?
Eine neue nichtrassistisch geprägte Identität zu schaffen bleibt wohl eine der Hauptaufgaben der südafrikanischen Gesellschaft. Das Vertrauen in die jeweils anderen teils historisch definierten ethnischen Gruppen ist zurzeit noch eher gering. Laut South African Reconciliation Barometer 2010 sehen 35% der SüdafrikanerInnen Angehörige anderer Gruppen noch immer als „nicht vertrauenswürdig“ an. Doch ist es genau diese ethnische und kulturelle Vielfalt der „Regenbogennation“, die dieses Land mit den sage und schreibe elf offiziellen Amtssprachen so besonders macht und aus der sich unglaublich viel Potential schöpfen lässt.
Foto: Eva Zandonella