
Ein Menschenrecht kehrt nach Graz zurück
„Ein Bettelverbot ohne Ausnahme ist unsachlich und widerspricht der Menschenrechtskonvention“ lautet das Urteil des Verfassungsgerichtshofs zum Bettelverbot in der Steiermark. Nach fast zwei Jahren in Kraft wird es nun als verfassungswidrig aufgehoben. Ein Grund zum Feiern für die für die gesamte Dauer des Verbots Widerstand leistenden VerbotsgegnerInnen, doch unverständlich für die hart getroffenen VerbotsbefürworterInnen
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Ein schon jetzt umstrittenes Urteil
Weit über ein Jahr lang hat jetzt also in der Steiermark ein Gesetz gegolten, das, wie von diversen Gremien vermutet und nun von den HöchstrichterInnen bestätigt, von Anfang an den Menschenrechten widersprochen hat. Ein Gesetz, das es eigentlich gar nicht hätte geben dürfen. Viele BettelverbotsgegnerInnen waren von Anfang an sicher, dass dieses „bundesweit strengste Verbot“ nicht haltbar sein würde, dennoch hielten einige PolitikerInnen und ein großer Teil der Bevölkerung eisern an der Rechtmäßigkeit und Sinnhaftigkeit eines solchen fest. Auch jetzt nach der Aufhebung werden wieder Stimmen laut, die das Urteil des VfGH vehement kritisieren. Mit der neuerlichen Bettelerlaubnis würde dem organisierten Betteln in die Hände gespielt, nun würde man wieder Tag für Tag von armen Menschen belästigt, das Betteln würde dadurch zu einem Erwerbszweig… schon oft gehörte und oft kritisierte Argumente sind trotz gegenteiligem Urteils wieder in aller Munde. Vor dem Verbot ist nach dem Verbot. Auch Bürgermeister Siegfried Nagl steht nach wie vor hinter dem Verbot: „Ich bleibe dabei, dass ich das Betteln für menschenunwürdig halte und daraus im 21. Jahrhundert in Europa kein Beruf entstehen darf.“ (Kleine Zeitung, 10.1.2013)
…und es ist doch ein Menschenrecht
Nun ist aber das Bettelverbot aufgrund seiner Verfassungswidrigkeit mit sofortiger Wirkung aufgehoben, eine Reparaturfrist wurde nicht gegeben (mehr dazu). Österreich hat sich zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet und diese sogar in Verfassungsrang gehoben, also zu Grundrechten gemacht. Warum fällt es dann oft so schwer diese auch in die Praxis umzusetzen? Im konkreten Fall erhärtet sich der Verdacht, die Armut nicht sehen zu wollen; sich nicht mit der großen Ungleichheit und Ungerechtigkeit der Welt konfrontieren und erst recht kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, wenn wir mit starr vor uns gerichtetem Blick und drei überquellenden Einkaufssackerln in der Hand an den am Boden kauernden Menschen vorbeigeht. Das Bettelverbot bot eine einfache Lösung, getreu dem Motto: aus den Augen aus dem Sinn. Positiver Nebeneffekt: die Verschönerung des Stadtbilds. Außerdem wird dabei die in Graz zwar nie nachgewiesene, aber dennoch „sehr gefährliche“ Bettelmafia bekämpft
. ( siehe dazu auch „Denn wir wissen nicht, was sie tun“ von Florian Supé )
Welches Recht haben Menschen überhaupt, hier „bei uns“ zu betteln?
…ein Menschenrecht! Ihr höchstpersönliches, unantastbares Recht. Ein Recht, das den Betroffenen oft die einzige Möglichkeit bietet ihre Familien zu ernähren. Ein Recht, das ihnen ohne Recht knapp zwei Jahre lang genommen wurde.