
Wer wohnt eigentlich da gegenüber?
„Ich verstehe den Bewegungsdrang von Kindern, doch beim Fußballspielen und Radfahren müssen sie auf PassantInnen Rücksicht nehmen“, erklärt der alte Herr aus dem 7
. Stock
. „Können die HundebesitzerInnen nicht die Hinterlassenschaften ihrer Tiere wegräumen, damit meine Kinder auf der Wiese spielen können?“, fragt sich die Mutter zweier Kinder aus dem Erdgeschoss. „Warum muss mein Nachbar gerade jetzt so laut Musik hören, wenn ich beim Lernen für die morgige Prüfung Ruhe brauche? Gibt es nicht so etwas wie eine Nachtruhe?“, fragt die Studentin aus dem 3. Stock.
Jeder Mensch hat eigene Bedürfnisse
Das Finden von Antworten und Lösungen auf solche und ähnliche Fragen und Sorgen aller Art, die im Leben der BewohnerInnen der Wiener Gemeindebauten auftauchen, ist eine der vielen Aufgaben der Organisation „wohnpartner“ der Stadt Wien. „Im dichten Zusammenleben einer Stadt kommen Nutzungskonflikte immer wieder vor. Jeder Mensch hat seine eigenen Bedürfnisse betreffend Ruhe, Kontakt, Freizeitgestaltung, Fortbewegung, Arbeitssituation oder Tages- und Nachtrhythmen,“ erklärt Dipl. oec. Snjezana Calija, Leiterin wohnpartner-Team 22.
Zuständig für 500.000 Menschen
In Wien gibt es rund 220.000 Gemeindewohnungen, in denen über eine halbe Million Menschen leben. Unter so vielen BewohnerInnen ist die Anonymität normalerweise sehr groß, die Nachbarn laufen einem kaum über den Weg und neue Bekanntschaften knüpfen ist nicht einfach. Das Projekt „Willkommen Nachbar!“ soll dieser Anonymität in den Gemeindebauten entgegenwirken. Im Rahmen dieser Initiative heißen alteingesessene BewohnerInnen die neuen MieterInnen willkommen, stehen ihnen mit Rat zur Seite und unterstützen beim Kennenlernen von anderen NachbarInnen.
Wo so viele Menschen leben, ist die Entstehung von (vermeintlich kulturellen) Konflikten ebenfalls ganz natürlich. Mit Mediation in mehreren Sprachen sollen Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten gelöst werden. Gegründet wurde die Organisation „wohnpartner“ im Jahr 2002, um „die Wohn- und Lebensqualität in den Gemeindebauten gemeinsam mit den BewohnerInnen weiter zu verbessern und zu festigen.“
Die Kunst der guten Nachbarschaft
Um eine gute Nachbarschaft zu fördern stellt die Organisation „wohnpartner“ Projekte in Zusammenarbeit mit GemeindebaubewohnerInnen auf die Beine und unterstützt deren Vorhaben. „Ziele sind die Förderung der aktiven Beteiligung und Mitbestimmung durch die MieterInnen und die Stärkung des Zusammenhalts.“ Viele unterschiedliche Projekte für alle Generationen von jung bis alt konnten bis jetzt realisiert werden: Für Singbegeisterte gibt es den 1. Wiener Gemeindebauchor, für LogikerInnen die nachbarschaftliche Schachpartie und für Kinder Nachhilfeinitiativen sowie „Kunstgaberln“, bei dem der Fußball im Mittelpunkt steht.
Eine gute Nachbarschaft, in der sich die BewohnerInnen, egal wie unterschiedlich sie sind, offen und hilfsbereit begegnen, ist nicht nur in den Gemeindebauten der Stadt Wien für ein angenehmes Zusammenleben sehr wichtig. Denn wie ein Sprichwort besagt: „Mit guten Nachbarn hebt man den Zaun auf“ und errichtet stattdessen einen gemeinsame (verbindende) Sitzgelegenheit.
Foto: Copyright Wohnservice Wien/L. Schedl