
Wenn der Muezzin vom Minarett ruft…
…kommen Männer und Frauen aus allen Himmelsrichtungen zusammen um sich zum gemeinsamen Gebet zu versammeln. Durch die rituelle Waschung reinigen sie sich von Hadath, der Unreinheit des Körpers und bereiten sich somit auf ihr Gebet vor. Vor dem Betreten des Gebetsraumes streifen sie ihre Schuhe ab, lassen sich auf den Teppichen nieder und wenden sich in Richtung Mekka.
Eine Reise in den Orient
In der Ferne ist ein Kuppelbau mit einem Turm, der in die Höhe ragt, zu sehen. Das Plätschern von Wasser ist leise zu hören und der Duft von Datteln steigt mir in die Nase.
Wenn ich die Augen schließe, scheint es als würde ich mich in einer Oase in einem Märchen aus 1001 Nacht befinden, doch öffne ich sie, sehe ich groß das Schild „Neue Donau“ vor meinen Augen. „Die Donau in Arabien?!“ wirst du dich jetzt sicher fragen. Nein, keine Bange, die Donau fließt immer noch durch Wien, ich kann sie in der Ferne plätschern hören, und der Duft der Datteln geht von der Jause eines anderen U-Bahn Passagiers aus.
Ich stehe in der U-Bahn Station „Neue Donau“ und blicke auf das Minarett einer Moschee. Um einen Traum handelt es sich dabei nicht, denn im 21
. Wiener Gemeindebezirk steht tatsächlich eine Moschee. 1977 konnte man das erste Mal den Muezzin von ihrem Minarett zum Gebet rufen hören. Damit ist die Wiener Moschee eine von drei österreichischen Moscheen mit Minarett.
„Sie sprechen aber gut Deutsch…“
Neugierig betrete ich die Moschee durch das große Tor und blicke mich gespannt um. Die junge Frau, die mich durch die Moschee führen wird, erwartet mich schon mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Bevor wir in Richtung Gebetsraum gehen, heißt sie mich Willkommen und erklärt mir einige grundlegende Dinge über die Moschee. Vor dem Betreten des Gebetsraumes heißt es Schuhe ausziehen, damit die Teppiche vom Staub der Straße nicht schmutzig werden.
Nun sitzen wir auf den Teppichen und ich blicke mich neugierig um. An der Wand hängt eine digitale Uhr, die wie ich durch meine „Fremdenführerin“ erfahre, die täglichen Gebetszeiten anzeigt. Auf meine Frage, ob sie oft Moscheeführungen macht, antwortet die junge Frau mit einem Ja und schmunzelt dabei: „Bei Führungen wird mir oft gesagt, dass ich für eine Muslimin sehr gut Deutsch spreche.“ Sie ist Österreicherin, geborene Christin, die als junge Studentin zum Islam konvertierte und von diesem Zeitpunkt an „eine Muslimin“ war und ein Kopftuch trug. „Dennoch fühle ich mich weiterhin als Österreicherin.“
„Hier ist jeder Willkommen“
Der Grundsatz des Willkommenseins aller, egal ob MuslimIn oder nicht, wird in der Wiener Moschee jeden Tag aufs Neue gelebt. Jede Frau/jeder Mann hat die Möglichkeit an einer Moscheeführung teilzunehmen. Hier bekommt man von kompetenten Menschen Antworten auf Fragen aller Art, die einem unter den Nägeln brennen.
Der Nachmittag hier in der Moschee ist schnell vergangen, bald ist es Zeit für das Abendgebet und für mich wird es nun auch Zeit „die Welt des Orients“ zu verlassen
. Mit der U6 in Richtung Siebenhirten mache ich mich auf den Weg zurück in das traditionelle „westliche“ Wien, jedoch mit dem Wissen im Hinterkopf, dass auch hier in der Großstadt ein Stück „einer anderen Welt“ erlebbar ist, sobald man seine Scheu über Bord wirft und bereit ist sich für Neues zu öffnen.