
Weihnachten
Wir überfliegen Wirtschaftsteil, Schlagzeilen und Todesanzeigen als wären wir die Lufthansa.
Doch dann sehen wir sie.
Sie lächelt uns an, nein, sie strahlt uns dermaßen ins Gesicht, dass wir denken, der Stern von Bethlehem persönlich wünscht uns einen guten Morgen.
Oh sie ist ja so wunderbar – die Weihnachtswerbung.
Mit Liebe geschrieben und abgedruckt und geschmückt wie die Auslagen von Kastner & Öhler offenbart sie uns den wahren Segen der Geburt Christi – die Weihnachtsangebote
.
Wir springen vom Tisch auf, verschütten den Kaffee, schreien laut auf weil er im Schoß brennt, räumen alles aus dem Weg, steigen der Katze auf den Schwanz, eilen zur Geldbörse, dem wichtigsten Utensil, greifen sie uns, sprinten zu den Autoschlüsseln, stürzen aus der Haustür, wollen diese zusperren, geht aber nicht, weil wir den Hausschlüssel liegen lassen haben, egal, Türe bleibt offen, hetzen zum Auto, anschnallen wird ohnehin überbewertet, starten den Motor, touchieren das Auto hinter uns, das Gas bis zum Anschlag, Slalom durch die Stadt dass sogar Hermann Maier Augen macht; wir brettern in die nächste Tiefgarage, letzter Parkplatz, er ist zu kein – egal – Lackschäden reparieren sie zu Weihnachten eh zum halben Preis, Parktickets genießen ungefähr den selben Status wie die Gurtpflicht, also rein ins Geschäft und KAUFEN!!!!!!!
Gott sei Dank stehen uns sämtliche Zahlungsmöglichkeiten dieser Erde zu Verfügung, dafür ist gesorgt. Gesorgt. Für alles ist gesorgt. Könnte man meinen
. Hier ist Kaleb.
Kaleb, ein Familienvater, Bauer, ehrlicher Mann. Könnte fast Österreicher sein.
Zum Unterschied: Kaleb lebt in Harar, einem Dorf im Osten Äthiopiens und hungert 365 Tage im Jahr, damit seiner Frau und seinen Kindern mehr zum Essen bleibt.
Fernab jeglicher Art von Konsum kämpft Kaleb Tag für Tag ums Überleben.
Und man mag es kaum glauben – er ist bei Gott nicht der einzige.
Besonders zu Weihnachten ignorieren wir, geblendet von Glamour und Glitzer, Schicksale wie jenes von Kaleb.
Und während wir uns noch versuchen einzureden, man selbst gehöre nicht zu dieser Wegschau-Gesellschaft, stirbt Kalebs jüngster Sohn an Malaria.