Kenne deine Rechte

Quo vadis, „Menschenrechtsstadt“ Graz?


Graz hat’s: vom Menschenrechtsbeirat über den MigrantInnenbeirat bis hin zum Friedensbüro, die Stadt kommt ihren Verpflichtungen als „Menschenrechtsstadt“ mit bestem Wissen und Gewissen nach. Wie, davon hast du noch nie gehört? Keine Sorge – du bist nicht die/der Einzige!

Die Stadt Graz feiert am 8. Februar bereits ihr zehnjähriges Jubiläum als Menschenrechtsstadt. Und dennoch: Ein großer Teil der GrazerInnen weiß nicht wirklich was damit anzufangen. Auch eine neue Studie kann dies bestätigen. Demnach konnte ein großer Teil der Befragten den Begriff der „Menschenrechtsstadt“ nicht richtig zuordnen. Beinahe alle meinten, es handle sich um eine Auszeichnung, jedoch sollte es als alltagstaugliches Instrument des Verstehens und Beachtens der Menschenrechte auf lokaler Ebene verstanden werden. Beachtliche 70% wussten gar nicht, dass Graz Menschenrechtsstadt ist.

Menschenrechtsstadt – Verantwortung oder bloß Imagestärkung?

Was der Stadt fehlt, ist wohl noch der entscheidende Funke, der das Bewusstsein und die Verantwortung einer Menschenrechtsstadt nach außen trägt
. Hier gibt es sicherlich ein Defizit bei der Öffentlichkeitsarbeit – die natürlich auch viel öfter Aufklärungsarbeit sein müsste. Schließlich liegt der Grund für die allseits verbreitete „Wurschtigkeit“ hauptsächlich im Denken. Das typisch österreichische „Mia san mia“-Prinzip kommt hier wieder zum Tragen: Solange wir unsere Rechte haben und noch dazu in einem gesicherten Umfeld leben, brauchen wir uns doch nicht um die Anderen kümmern. Doch halt, wenn wir schon selbst so gut wie sorgenfrei sein können, hätten wir nicht gerade dann die Zeit und Kraft, um einmal auf Andere zu schauen?

Auch die Medien spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle, wenn es um Meinungsbildung geht
. Die meist negative Berichterstattung über MigrantInnen fördert Vorurteile und erzeugt oft ein falsches Bild – keine guten Voraussetzungen für ein friedvolles Zusammenleben.

Als Grund für die mangelnde Information von öffentlicher Seite nannte Gemeinderat Thomas Rajakovics bei der Präsentation der oben genannten Studie z.B. geringe finanzielle Mittel für Inserate. Der Umstand, dass Graz die einzige Menschenrechtsstadt in Europa ist, gestalte auch die Vernetzung schwierig. Doch inserieren wäre nicht unbedingt nötig, man könnte doch auch mit Handlungen oder Aussagen auf sich aufmerksam machen. Bloß, passiert das? Warten wir nicht schon lange auf positive, repräsentative Äußerungen bzw. Entscheidungen, gerade bei so entscheidenden Themen wie Rechte von Homosexuellen oder Bettelverbot?

Ein Tropfen auf den heißen Stein…

Wie kann es sein, dass Graz für viele Menschen noch eher die „Stadt der Volkserhebung“ ist als die „Menschenrechtsstadt Graz“? Auch andere Titel wie z.B. City of Design etablieren sich viel schneller als dieser. Es gäbe einiges an Möglichkeiten, um das Zusammenleben in unserer schönen Stadt noch besser zu gestalten – Dialog hieße das Zauberwort. Doch die einzige (zumindest innerhalb der Veranstaltung zur Studienpräsentation) genannte Maßnahme seitens der Stadt Graz, die sich gerade in Planung befinde, sei ein interkulturelles Frühstück. Ein guter Anfang – wenn man den Dialog mit seinen neuen Schwiegereltern sucht. Für eine ganze Stadt definitiv noch zu wenig.

Positiv zu erwähnen ist, dass es jetzt eine neu eingerichtete Stelle gibt, die quasi als Kummernummer fungiert. Sollte es Probleme im Zusammenleben geben, kann hier angerufen werden, und versuchen zu vermitteln und durch Mediation zur Streitschlichtung beizutragen (siehe Interview mit Bürgermeister Siegfried Nagl).

Was fehlt, ist ein starker Wille der Stadt, wirklich Informations- und Überzeugungsarbeit bei den BürgerInnen zu leisten (und so früh wie möglich damit zu beginnen – also zumindest in allen Schulen) und oft genug auch genügend Offenheit auf BürgerInnenseite um sich überzeugen zu lassen. Überzeugen von Dingen, die in der heutigen Gesellschaft eigentlich selbstverständlich sein sollten…

Was Bürgermeister Siegfried Nagl zum Jubiläumsjahr zu sagen hat…HIER ANHÖREN!!!!

Weiterführende Informationen und Links:

Die Menschenrechtsstadt Graz

Menschenrechtserklärung der Stadt Graz, Gemeinderatsbeschluss vom 8.2.2001

Studie „Menschenrechtsstadt Graz-Präsenz und Nutzen“

Menschenrechtsbericht der Stadt Graz 2009

Europäisches Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie, ETC Graz

Medienberichterstattung:

„Menschenrechtsstadt“ Graz nahezu unbekannt, Der Standard 26.1.2011

Menschenrechtsstadt bei Bürgern unbekannt, ORF Steiermark 26.1.2011

 


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